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Warum manche Wunscherfüllungen glücklich machen - und andere nicht

Aktualisiert: 19. Jan.

Oder: Was uns eine Buche über das Wünschen lehren kann



Jeden Monat schreibe ich über ein Kinderbuch und was wir daraus lernen können. Wir, das heißt Kinder UND Erwachsene. Kinderbücher halten viele Schätze bereit. Für Kinder, klar, aber auch für uns Erwachsene, wenn wir uns auf das Abenteuer einlassen, in die Geschichte wirklich einzutauchen und sie nicht als Kindergeschichte abtun.


Ich versuche in meinen Artikeln beide Seiten hervorzuholen und anzuregen.



Cover des Kinderbuches 'Die kleine Birke' von Marianne Hofmann und Reinhard Michl

Kinder wachsen und lernen mit der kleinen Birke


Eine große, starke Buche und eine winzige, zerbrechliche Birke sind die Hauptfiguren, die Helden, dieser Geschichte von Marianne Hofmann (Autorin) und Reinhard Michl (Illustrator) erschienen im Hanser Verlag.


Mit seinem ruhig rhythmischen Text und den traumhaft, stimmungsvollen Gemälden, macht mich dieses Buch richtig glücklich, wenn ich in die Welt der beiden Bäume eintauche und ihren Gesprächen lausche.


Für Kinder auch besonders schön: Am Ende des Buches gibt es eine Auflistung von Tieren der mitteleuropäischen Wiesen und Wälder, mit kurzer Beschreibung und Zeichnung zu jedem Tier.


Ein rundum wunderschön gestaltetes Bilderbuch.


Die Buche begleitet den Birkentrieb – oder sagen wir das Birkenkind – durch das Jahr. Kinder lernen und entdecken die Besonderheiten jeder Jahreszeit gemeinsam mit der kleinen Birke. Die große, alte Buche ist ihre Lehrmeisterin.


Was dieses Buch aber so besonders für mich macht, ist gar nicht so sehr das vermittelte Wissen, sondern die liebevolle Art, in der dieses Wissen vermittelt wird. Die Art und Weise, wie diese beiden Bäume, Jung und Alt, miteinander umgehen.


Und gilt das nicht für jedes Lernen, sei es in der Schule oder Zuhause? Die Art, wie das Wissen vermittelt wird, spielt eine große Rolle.


Das Buch hat mich aber noch zum Nachdenken über etwas anderes angeregt. Etwas, an das die Autorin beim Schreiben vielleicht nicht einmal dachte:



Da ist noch etwas: Was wir von einer Buche über das Wünschen lernen können


Die Geschichte beginnt mit dem Wunsch der Buche: «… doch hätte ich gerne einen Baum in meiner Nähe, damit ich mich mit ihm unterhalten kann.»


Und dann, im Frühjahr entdeckt sie eine winzige Birke …

Aufgeschlagene Seite des Kinderbuches 'Die kleine Birke' von Marianne Hofmann und Reinhard Michl

Nun könnte die Buche sagen: «Was, eine Birke? Neee, danke Leben, ich wollte natürlich eine Buche, genau wie ich eine bin. Was soll ich denn mit einer Birke anfangen? Die sind mir zu zappelig und ungeduldig. Ihre Blätter klirren im Wind, statt sanft zu rauschen. Das tut doch in den Ohren weh. Und außerdem sind sie viel zu dürr, die pustet jeder Windstoß um. Und sie wachsen viel zu schnell. Ich sag’s ja, keine Geduld haben sie.»


Sind wir Menschen nicht oft gerade so? Wenn wir uns etwas wünschen und der Wunsch nicht ganz so in Erfüllung geht, wie wir es uns vorgestellt haben?


Was für eine Art von Geschichte hätten wir dann, wenn die Buche so reagierte?


Wahrscheinlich keine Geschichte, die so glücklich macht, die dem Herz guttut.


Kinder aber brauchen unbedingt Geschichten, in denen sie Seelenfrieden finden. Und ich glaube, auch wir Erwachsene profitieren von aufbauenden Geschichten und weniger von denen, die uns bedrücken.


Hätte die Buche also reagiert, wie ich es oben beschrieben habe, dann hätte sie die Möglichkeit zur Erfüllung ihres Wunsches nach Gesellschaft sofort wieder zu Nichte gemacht.


Doch die Buche handelt ANDERS:


Sie hat einen Wunsch ausgesendet und nimmt dessen Erfüllung mit offenem Herzen und offenem Sinn an.


Mehr noch, sie wird TÄTIG und tut alles dafür, die kleine Birke zu schützen und sie zu lehren, was sie im Leben brauchen wird.


Aufgeschlagene Seite des Kinderbuches 'Die kleine Birke' von Marianne Hofmann und Reinhard Michl

So trägt sie aktiv zur Erfüllung ihre Wunsches bei – erhält das Geschenk einer Freundschaft über die Generationen hinweg – und hilft der kleinen Birke, sich im Leben zurechtzufinden.


Indem sie von sich etwas gibt, erhält sie so viel zurück.


Sie übernimmt Verantwortung für ihren Wunsch, so wie es eine Mutter tut, wenn ihr Wunsch nach einem Kind erfüllt wird. (Setzen wir das mal voraus.)


Aber nicht nur für die Erfüllung eines Kinderwunsches gilt das, sondern ich würde sagen für jede Art von Wunsch.


Es scheint, die Erfüllung von Wünschen und Träumen braucht zunächst einmal 2 Dinge:


1. Annehmen mit offenem Herzen, was uns das Leben zuführt.

2. Selbst aktiv werden und etwas für die Erfüllung tun.


Aber ich möchte noch einen Schritt weitergehen. Denn ist es nicht manchmal so, dass wir glauben, ein Wunsch gehe in Erfüllung, doch nach einer Weile merken wir, dass das, was sich da "erfüllt" hat, in Wirklichkeit überhaupt nicht für uns passt?



Sei dir bewusst, was du dir wirklich wünschst!


Deshalb glaube ich, es ist wichtig, uns bewusst zu werden, was es wirklich ist, das wir uns wünschen. Das klingt vielleicht trivial, aber ich habe den Eindruck, wir wissen oft selbst nicht so genau, was wir uns wirklich tief im Herzen wünschen. Wir sind oft vage oder verallgemeinernd und bleiben an der Oberfläche.


Wünschen Sie sich «eine neuen Job», weil der Aktuelle zu anstrengend ist? Oder wünschen Sie sich vielleicht vielmehr eine Arbeit, in der Sie mehr in Ihrem eigenen Rhythmus wirken können?


Wünschen Sie sich einen Partner für eine romantische Beziehung? Oder wünschen Sie sich vielmehr einfach liebevolle Verbindungen zu erleben – und kann das auch mit der Natur sein, mit Ihrer Tätigkeit, mit Freunden?


Erst, wenn wir uns bewusst darüber sind, wonach wir uns wirklich tief im Herzen sehnen, dann verstehen wir auch, ob unser Wunsch gerade in Erfüllung geht oder nicht.


Denn passiert es nicht auch manchmal, dass wir uns etwas ganz stark wünschen – und dann tritt dieser Partner oder dieser Job in unser Leben und wir nehmen die Wunscherfüllung jubelnd an. Nur, um nach einer Weile festzustellen, dass es nicht wirklich das war, wonach wir uns sehnten, und dass der gleiche Wunsch, vielleicht in etwas abgeänderter Form wiederersteht.


Aufgeschlagene Seite des Kinderbuches 'Die kleine Birke' von Marianne Hofmann und Reinhard Michl

Im Bilderbuch «Die kleine Birke» gibt es einen Mistkäfer, der eine Mistkugel in seine Höhle rollt. Aber sie ist sehr schwer. Ein anderer Mistkäfer eilt herbei, ihm zu helfen. Aber dann will der die Kugel für sich selber haben.


Hätte nun der erste Mistkäfer den Wunsch gehegt, einen Freund zu finden, und geglaubt, dieser sei es, dann wäre er wohl enttäuscht gewesen. Aber sein Wunsch war, eine Kugel zu machen und nach Hause zu bringen und so steht er auf und macht eine Neue.


Wird es verständlich, was ich ausdrücken möchte?




Die Sehnsucht des Herzens liegt oft unter vielen anderen Wünschen begraben


Manchmal scheint es nur so, als würde ein Wunsch erfüllt und dann sind wir enttäuscht. Aber das ist, weil wir unseren tiefinneren Herzenswunsch noch gar nicht entdeckt haben. Der aber ist immer etwas, was wirklich gut für uns ist und uns weiterhilft auf unserem Weg als Mensch.


So tragen wir Schicht um Schicht scheinbarer Wünsche ab, bis wir zu der Sehnsucht vordringen, die tief in unserem Herzen, unserer Seele verborgen liegt, und endlich Raum schaffen für deren Erfüllung.


Deshalb kann die Buche die Erfüllung ihres Wunsches gleich erkennen: Sie wusste, was ihr Herzenswunsch war. Und als der in Erfüllung ging, spielte es dann eben auch keine Rolle, das die junge Freundin eine Birke war und keine Buche.


Zusammenfassend sehe ich also drei Dinge, die es braucht, um mit einer Wunscherfüllung auch wirklich Glück zu finden:


1. Klarheit darüber, was die tieferliegende Sehnsucht hinter dem Wunsch ist.

2. Annehmen mit offenem Herzen, was uns gegeben wird. (Auch wenn es im Außen vielleicht anders aussieht, als wir uns konkret vorgestellt haben.)

3. Selbst aktiv werden und etwas für die Erfüllung tun.


Und ich glaube, das sind keine Schritte, die nacheinander abgearbeitet werden, sondern eine Art von Spirale, die uns hilft, uns selbst immer besser kennenzulernen.


Die Autorin von «Die kleine Birke» hat womöglich an all das überhaupt nicht gedacht, als sie die Geschichte schrieb. Sie wollte vielleicht einfach nur ein atmosphärisches Jahreszeitenbuch schaffen. Das ist ihr gelungen - und noch mehr. Ist doch spannend, dass ein jeder ganz unterschiedliche Dinge aus ein und derselben Geschichte ziehen kann.


Kennen Sie noch mehr Kinderbücher, die uns etwas über das Wünschen lehren?


Aufgeschlagene Seite des Kinderbuches 'Die kleine Birke' von Marianne Hofmann und Reinhard Michl

Disclaimer: Dieser Artikel spiegelt meine persönlichen Überlegungen und erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit.

Fotos: Eigene. Alle Fotos zeigen Seiten aus dem Buch "Die kleine Birke" von Marianne Hofmann.



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